Transparenz (Transluzenz)
Transparenz / Transluzenz
Die drei bekannten Grundeigenschaften der Farbe sind:
# Ton: rot, grün, gelb, blau etc. # Wert: hell, dunkel (und Abstufungen dazwischen) # Intensität: leuchtend, grell, blass u.ä. Infolge der systematischen Auseinandersetzung mit der traditionellen mehrschichtigen Maltechnik und des Arbeitens mit Lasuren (durchscheinenden Farbschichten) stößt Vietinghoff zwangsläufig auf eine vierte Eigenschaft, die er im Deutschen "Transparenz" nennt, da dies ein geläufiger Begriff der Alltagssprache ist. Wissenschaftlich genauer sind der Terminus "Transluzenz" und das Adjektiv "transluzent". |
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Die Farben sind bei Gauguin, van Gogh und den späteren Expressionisten oft sehr intensiv. Sie sind meist deckend aufgetragen, womit die Transparenz von Lasuren fehlt – die nuancierenden Übergänge fallen weg. Die Bildteile stehen farblich ziemlich gleichwertig nebeneinander, die Darstellungen wirken daher flacher, bisweilen sogar plakativ. In der traditionellen Malerei entsteht die Bildtiefe nicht nur durch Perspektiven, sondern auch mittels des mehrschichtigen Farbauftrags mehr oder weniger transluzenter Schichten. Die plastische Tiefenwirkung ergibt sich dann aus der Endfarfarbe selbst. |
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In der mündlichen und der praktischen Weitergabe von Meister zu Schüler waren Auswirkung und Nutzen früher selbstverständlich, doch nahm das Interesse daran (besonders an den Dunkel-Lasuren) bereits im Rokoko vorübergehend ab. Es wurde zwar noch einmal wiederbelebt, erlag dann aber im Impressionismus. Als Vietinghoff zu malen beginnt, kennt er keine fundierte Erklärung des Phänomens oder detaillierte Anleitung zur praktischen Handhabung der Transparenz (Transluzenz). An den von ihm besuchten Akademien wird es nicht mehr gelehrt und die spärlichen Rückblicke und Aufzeichnungen von Rezepturen in der Literatur ersetzen die fehlende Überlieferung nicht. |
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Sein künstlerisches Erwachen ebenso wie die Ausbildung und seine Anfänge fallen in die Spätzeit des Jugendstils und die der "Klassischen Moderne", in den Expressionismus, in die Reihe von Revolutionen durch Dadaismus, Kubismus, das Bauhaus sowie den Beginn der Abstraktion und des Surrealismus. Alle diese neu entstandenen Richtungen entsprechen jedoch nicht seinen Vorstellungen – sein Aufbruch sollte anderer Art sein. So wird er Autodidakt und erwirbt sich das notwendige Wissen im Selbststudium, d.h. über Vergleiche direkt an den Originalen in den Museen und durch Experimentieren im eigenen Atelier. |
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Als er zu Beginn seiner Karriere nach Paris zieht, liegt der Altersdurchschnitt der damals zwanzig wichtigsten und Ton angebenden Maler bei 43 Jahren. Darunter befanden sich Feininger, Klee, Malewitsch, Chagall, Matisse, Delaunay, Picasso, Mondrian, Kandinsky und Arp. Die meisten von ihnen hatten also ein Alter, in dem sie ihre Phase des Experimentierens und Suchens hinter sich und ihren Stil entwickelt hatten. Sie hatten sich bereits etabliert und dominierten die Kunstszene. |
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Schon früh beginnt Vietinghoff parallel zu seinem künstlerischen Schaffen und anhand seiner eigenen Studien an einem Manuskript über die Technik der Öl-Harz-Malerei zu schreiben. Dort definiert er auch die Transparenz (Transluzenz) der Farbe. Es scheint die erste schriftliche Darstellung dieses für die europäische Malerei so entscheidenden Phänomens zu sein. Die Transluzenz (Transparenz) ist die 4. Eigenschaft einer Farbe: die Lichtsättigung. Transluzenz: Lichtdurchlässigkeit (z.B. bei menschlicher Haut) – Transluzent: (in der Malerei) "lichterfüllt" (Negation: reflektierend, opak, "stumpf") Dagegen Transparenz: "Blickdurchlässigkeit". Transparent: "durchsichtig" (wie eine Glasscheibe). |
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Jede Malfarbe (Weiß ebenso wie Schwarz) kann durchscheinend oder auch deckend sein. Der Deckungsgrad bzw. der Grad der Durchlässigkeit hängt dabei nicht nur von der Farbmenge ab, sondern auch von der Dichte der Pigmente und vom Bindemittel, d.h. von der Verarbeitung der Pigmente zur Malfarbe. Auch blasse Farben können undurchlässiger sein als leuchtende, wenn sie das Licht stärker reflektieren und die darunter liegende Farbe deshalb nicht sichtbar bleibt. Umgekehrt können dunkle Farben so angerührt und aufgetragen werden, dass sie transparenter (transluzenter) sind als helle. |
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Mit dieser Thematik befasst sich Vietinghoff besonders intensiv und wird sich dabei klar über den Unterschied zwischen der sogen. additiven und der sogen. subtraktiven Mischung. Bei der einen ergeben sich neue Farben durch Vermischen mehrerer Ausgangsfarben schon auf der Palette zu einer einzigen Malfarbe; bei der anderen entstehen Farbergebnisse nach Überlagerung durchscheinender Schichten auf dem Bild selbst. Das Wissen um die Transparenz (Transluzenz) ist das A und O mehrschichtiger Öl-Harz-Malerei, denn sie ist ihr charakteristisches Gestaltungsmittel. Ohne das Ziel, Transluzenz erzeugen zu wollen, hätte es wenig Sinn, mehrschichtig zu malen. |
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Das Zusammenwirken aller Schichten führt in der Summe – aber erst auf der Leinwand – zu neuen Farbergebnissen, die so auf der Palette als Einzelfarbe gar nicht gemischt werden können. Die zuletzt im Auge des Betrachters entstehende Farbe hat eine transluzent, lichterfüllte Qualität. Deshalb ist der farbliche Gesamteindruck mehrschichtiger Malweise mit Lasuren (z.B. bei Vermeer, Chardin, Goya, C.D.Friedrich) gegenüber mehr oder weniger einschichtiger Malerei bzw. solcher mit deckenden Farben so fundamental verschieden (vgl. z.B. Monet, van Gogh, Kokoschka). Und zwar unabhängig vom persönlichen Ausdruck oder dem stilistischen Trend der jeweiligen Epoche. |
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Der Unterschied zwischen transluzent und nicht-transluzent ist ähnlich dem zwischen einem Diapositiv und einem in Farbwerten, Farbtönen und Farbintensität identischen Papierabzug desselben Dias, bei dem jedoch das durchdringende Licht fehlt.
Die endgültige Farbe, die sich aus einzelnen gemalten Schichten zusammensetzende und schließlich das Auge erreicht, erhält deshalb Transluzenz, weil das Licht nicht an der ersten Oberfläche zurückgeworfen wird, sondern eindringt und durch die verschiedenen Farblagen auf mehreren Ebenen gebrochen wird. Das Farbmaterial der einzelnen Lasur selbst ist nach Vietinghoffs Definition nicht transluzent, sondern mehr oder weniger "durchscheinend" (deutscher Begriff). Das Fremdwort "Transparenz" gebraucht er hingegen für den Lichtsättigungsgrad einer durch Mehrschichtigkeit zu Stande gekommenen optischen Endfarbe. Der deutschen Alltagssprache fehlt hier ein geläufiger Begriff, korrekt ist aus den lateinischen Sprachen übernommen Transluzenz als Substantiv bzw. transluzent als Adjektiv. In Französisch unterscheidet man ganz selbstverständlich "Transparence" von "Translucidité" und in Spanisch "transparente" von "translúcido", wobei der etymologische Ursprung "luc" von "scheinen" und "leuchten" bzw. "lux" von "Licht" erkennbar ist. Das Englische hat (anders als das Deutsche) das lateinische Fremdwort integriert: Transparency (transparent) und Translucency (translucent). |
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Von den Lasuren genannten flüssigen und durchscheinenden Farbaufträgen, liegen meistens mehrere übereinander. Aufgrund der unterschiedlichen Durchlässigkeit einzelner Farbschichten reflektiert das Einfallslicht abgestuft in verschiedenen Tiefen. Von "Tiefenlicht" spricht man, wenn das Licht durch andere Schichten auf die helle Grundierung trifft und von dort (nur unbewusst wahrgenommen) zurückscheint. Auf dem Rückweg wird das Licht nochmals verändert, denn es trifft während der Reflexion noch einmal von unten her auf die Pigmente der Lasuren, die es auf dem Hinweg schon einmal durchdrungen hat. |
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Die Lichtbrechungen gehen unmerkliche und vielfältige Wechselwirkungen ein, solche von Schicht zu Schicht (je nach ihrer Beschaffenheit) und solche innerhalb einer einzelnen Schicht sowohl auf dem Hinweg (eventuell bis auf den Grund) und auf dem Rückweg von tieferen Schichten wieder an die Bildoberfläche.
Teilweise bleibt ein Bruchteil des Lichts zwischen den Farbschichten "gefangen" und füllt die Farbe als solche. Das ganze Phänomen wird physikalisch "Vielstrahl-Interferenz" genannt. Da wir die Farben als solche nur deshalb wahrnehmen, weil die Pigmente unter dem Einfall des Lichts aufleuchten ("Fotonen-Emission"), können die Farben in diesen zahllosen Brechungsmöglichkeiten des Lichts in unvorstellbar viele Nuancen variiert werden. |
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Wird z.B. der Himmel mit einer Malfarbe aus einer additiven Mischung mehrerer Tubenfarben auf der Palette in einer einzigen Schicht mehr oder weniger deckend auf die Leinwand gebracht, fehlt die Transluzenz und die Farbe wirkt flach. Derselbe Himmel kann auch durch Überlagern mehrerer Lasuren auf dem Bild selbst entstehen. Dann bekommt die letztlich erst auf dem Bild entstandene Farbe, die in den drei bekannten Eigenschaften (Ton, Wert, Intensität) der anderen gleich sein kann, aufgrund ihrer Mehrschichtigkeit zusätzlich Transluzenz: die Farbe wirkt tiefer, das Licht natürlicher, die Darstellung glaubwürdiger.
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Das Blau des realen Himmels ist übrigens ebenfalls ein transluzentes, ergibt sich die Farbe für uns doch aus dem Eindruck der Atmosphäre vor dem dunklen Raum des Alls, denn für uns wirkt der Dunst der "milchigen" Atmosphäre wie eine Lasur auf einem Hintergrund.
In der Darstellung natürlicher Phänomene und Objekte ist die mehrschichtige Malerei im Vorteil, denn sie schafft eine Parallele zu natürlichen Vorgängen. Dies trifft ebenso zu beim Malen von Wolken und Wasser, von Augen, Haut und Haaren wie von Stoffen und Keramik, von Bäumen, Blumen und Früchten. Immer schimmert etwas Tieferliegendes durch, die Summe übereinander liegender Einzelfarben ergibt eine objektspezifische, körperhafte Farbqualität. |
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Das Auge des Betrachters bekommt seinen Wiedererkennungseffekt nicht durch das Abbilden von Äußerlichkeiten, sondern durch eine natürlich wirkende Lichtsättigung der Farben.
Die Beispiele zeigen wie mit der Abkehr von der mehrschichtigen Lasurentechnik die Plastizität der Wolken und deren natürlicher Eindruck verloren geht. |
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Die subtraktive Mischung unterliegt den festen Regeln der Optik. Folgende Faktoren beeinflussen die Wege des Lichts und die Transluzenz der endgültigen Farbwirkung.
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A Herstellung der Malfarbe
1. Unterschiedliche Pigmentdichte, d.h. Menge des Farbpulvers pro Volumen Bindemittel. 2. Unterschiedliche Rezepturen von Bindemitteln (z.B. Mengenverhältnisse, ob mit dem Harz der Lärche oder des Kirschbaums, ob mit oder ohne Wachs etc. etc.) |
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B Auftrag der Malfarbe
3. Unterschiedlich dicke Lasuren: die Lichtdurchlässigkeit verringert sich mit zunehmender Menge der aufgetragenen Farbe. 4. Unterschiedliche Reihenfolge des Auftragens auf die Leinwand. Ein transluzentes Farbresultat ist nicht gleich, wenn Farbe A durch Farbe B scheint oder umgekehrt, A + B ist nicht gleich B + A. Ähnlich wie die Endsumme 20 aus der Reihe 1 + 2 + 4 + 6 + 7 gebildet werden kann oder aus 4 + 6 + 7 + 3 oder aus 2 + 9 + 2 + 4 + 3 u.s.w. Eine solche Logik entfällt bei einschichtiger Malweise, da eine noch so raffiniert vorgemischte Farbe in sich eine einheitliche Konsistenz hat, als solche aufgetragen wird. Eine gewisse Differenzierung kann dann nur noch durch die Menge des Auftrags oder durch Hineinmalen einer anderen deckenden Farbe herbeigeführt werden. Impressionisten setzen neben(!) einen deckenden Farbstrich einen anderen, sodass in gewissem Abstand eine farbliche Mischung im Auge des Betrachters entsteht. Die Abstufungen und Übergänge der Lasurentechnik können damit jedoch nicht erreicht werden. |
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"Ein halbdurchsichtiges Weiß, auf einen trockenen und isolierten schwarzen Grund gestrichen, erscheint bläulich, eine schwarze Lasur auf weißem Grund bräunlich. Ein helles Orange, über Schwarz lasiert, wird grünlichgrau, eine Preußischblaulasur über Weiß verfärbt sich ins Grünliche usw. Niederländer und Flamen – namentlich Rubens, van Goyen und Jan Brueghel d.Ä. – die ausgiebigen Gebrauch von Hell- und Dunkellasuren machten, erzielten – je nachdem, ob sie die gleiche Farbe über eine hellere oder eine dunklere auftrugen – warme und kalte Grautöne, deren Schönheit sie mit additiv vorgemischten Farben nie erreicht hätten."
(Egon von Vietinghoff, Handbuch zur Technik der Malerei) |
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Die Tiefenwirkung, die Wärme und die Leuchtkraft, die für die Werke der Alten Meister sowie für Vietinghoffs eigene Bilder so typisch sind, basieren auf diesem Wiissen. Beim einschichtigen bzw. Nass-in-Nass-Malen, d.h. seit ca. der 2. Hälfte des 19. Jhs., wurde auf eine der wesentlichsten Errungenschaften europäischer Malkunst verzichtet, anfangs bewusst, später aus Unkenntnis, da der Faden bereits gerissen war. Die Ausdrucksweise verschob sich. Bei der Revolution gegen Starre und falsches Pathos von Akademismus und Romantik wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Durch das Ausbrechen aus der Tradition zahlte man für die Erneuerungen einen sehr hohen Preis – einen zu hohen wie E. v. V. meint. |
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