Kindheit
Paris

 

Aufbruch allein

Aufbruch allein (1920 - 1923)

Flamencotänzerin in rotem Kleid Egon macht sich auf, sein selbstbestimmter Weg beginnt. Er bricht zu einer abenteuerlichen Fußreise mit jugendlichem Traumziel Indien und Java auf. War er doch in der Javastraat geboren und hatte als Kind schon etwas Malaiisch gelernt, um sich mit seinem Bruder in "Geheimsprache" unterhalten zu können. Doch es kommt anders...

Ganze neun Monate streift er durch Spanien und Marokko. Märchenhaft und gefährlich zugleich wird dies zum elementaren Erlebnis: persönlich und künstlerisch. In Nächten unter freiem Himmel, in rauchigen Kneipen oder Beduinenzelten prägen sich dem so wohlerzogenen jungendlichen Mann Eindrücke dauerhaft ins Gedächtnis, fern von seiner bisherigen Erlebniswelt. Bis zum Ende seines Schaffens – 70 Jahre später – wird er sie in seinen Bildern aufarbeiten.

Sanfte Schönheiten und heiße Blicke über schwarzen Fächern, monotone Gesänge und exotische Tänze wecken seine Phantasie. Er beobachtet das Lichtspiel über der Sierra, lässt sich von den Sprüngen der Delphine auf der Überfahrt nach Afrika bezaubern und übt das Zeichnen von Wolken und Schaumwellen.
 

Haremszene Zwischen orientalischer Poesie und Befreiungskampf wandert der nicht einmal Volljährige durch verschlafene Dörfer und zeitlose Wüsten. In Marokko ist er wegen des Aufstandes der Rifbewohner gegen die spanische Kolonialmacht sicherheitshalber als Araber verkleidet und lernt den ersten Vers des Koran auswendig, der ihm manche Situation erleichtert und an den er sich bis ans Ende seines Lebens erinnert. Er begegnet Kolonnen von Fremdenlegionären und berittenen Kriegern mit blauem Turban und blankem Bajonett.

Bei seiner Rückkehr verbringt er – der Spionage verdächtigt – schuldlos neun Tage im Gefängnis von Cadiz und studiert dort die Gesichter finsterer Typen. Sein jugendliches Boxtraining kommt ihm an diesem Ort zugute ...
 

Bescheid zur Einbürgerung der Vietinghoffs in der Schweiz (1922) Egon von Vietinghoff, seine Eltern und sein Bruder bekommen 1922 die Schweizer Staatsbürgerschaft mit Heimatrecht in Zürich.

Nun scheint dies – nach dem ersten Abenteuer – für ihn aber weniger eine Einladung zum Bleiben zu sein als eher das Signal für unkomplizierteres Reisen. Denn jetzt hat er einen richtigen Pass statt des großen, gefalteten Papiers mit dem von den Kommunisten überstempelten zaristischen Emblem des russischen Reichs.

Nach Jahren der Weiterbildung im Ausland kehrt er zuerst nach Zollikon zurück und wird erst gegen 1940 in der Stadt Zürich dauerhaft sesshaft.
 

Halbliegender weiblicher Akt 1922 begibt er sich an eine Zeichenschule in München und beginnt parallel dazu in der Alten Pinakothek das, was ihn noch über Jahre fesselt: das Studium der alten Meister. Akribisch analysiert er ihre Werke, leidenschaftlich auf der Suche nach dem Geheimnis ihrer Technik, ihrer Farben und dem Aufbau ihrer Bilder.

Danach lebt er einige Monate auf Capri, um wieder in freier Natur zu zeichnen.
 
     

 

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