Bildentstehung
Öl-Harz-Malerei

 

Stricharten

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Stricharten – Übersicht

Die Kenntnis und die Unterscheidung sowie die bewusste und gekonnte Anwendung der Stricharten tragen entscheidend zum Gelingen mehrschichtiger Öl-Harz-Malerei bei.

– Untermalung in Tempera ("Untertuschung")
– Flacher Strich
– Lasur
– Pastoser Balsamstrich
– Durchbrochener Strich
– Gleitstrich
– Farbloser Strich
– Mehrere Stricharten auf einem Bild
 

Skizze in Tempera

Untermalung mit Tempera (1. Stufe) Die Untermalung in Tempera (sogen. "Untertuschung") bezweckt, Form- und Farbgebung des Bildes vorzubereiten, ohne ihr vorzugreifen. Die Farbe kann zeichnerisch in großen Zügen aufgesetzt werden, um die Bildfläche zu gliedern und die allgemeinen Formen und Größenverhältnisse der einzelnen Bildteile zueinander festzulegen. Sie kann auch flächig aufgewischt werden, um das Bild mit wenigen Tönen farblich anzulegen. Vorteilhaft ist es, den Malgrund mit einer einzigen Farbe anzutuschen, um die Stellen, die im fertigen Bild dunkel erscheinen sollen, vorzudunkeln und dunkle Farben später nicht zu dick auftragen und dadurch überfetten zu müssen.

Zum Skizzieren in Tempera ("Untertuschen") werden runde, breite oder flache Borstenpinsel verwendet. Die Farbe wird locker angewischt, verteilt und verrieben. Dient diese Phase dazu, linear-zeichnerische Einzelheiten zu bestimmen, kann sie auch mit dünnen Haarpinseln ausgeführt werden. Der Farbton ist so zu wählen, dass er mit den dünner aufgetragenen, durchsichtigeren Stellen des Balsamfarbenaufstrichs zusammen die gewünschte Farbe ergibt. (E.v.V.)
 

Flacher Strich

Mohn Der flache Strich ist ein dünner, deckender oder halbdeckender Auftrag. Die Farbe wird mit Borsten- oder Haarpinseln in Richtung der Pinselhaare auf dem Malgrund abgestreift. Je mehr Druck ausgeübt wird, umso mehr verliert der Aufstrich an Deckkraft und wird, wenn keine stark deckenden Pigmente verwendet werden, zur Lasur.

Der flache Strich ist die einfachste und verbreitetste Art, Ölfarbe al primo zu verwenden. Al primo heißt, die Farben werden – anders als bei mehrschichtiger Malerei – auf der Palette vorgemischt und in einem einzigen Auftrag nebeneinander auf den Malgrund gesetzt. Am ausgiebigsten haben ihn die Impressionisten gebraucht. Wird dieser Auftrag als Untermalung mit Ölfarbe verwendet, so muss die Ölfarbe sehr bindemittelarm und ganz trocken sein, bevor sie übermalt wird. Er gibt den Farben, besonders wenn die Übermalung lasiert wird, stark ausgeprägte Körperhaftigkeit und Textur. (E.v.V.)
 

Lasur

Helle Lasur auf rotem Pilzhut Lasur ist der maltechnische Ausdruck für eine mehr oder weniger durchsichtige Farbschicht. Untergrundfarbe und Lasur zusammen ergeben durch subtraktive Mischung transparente (transluzente) Farben. Zweck des Lasierens ist es die Transparenz (Transluzenz) der Farbgebung zu differenzieren und den farblichen Aufbau des Bildes durch übereinander gelegte Farbschichten stufenweise zu entwickeln.

Zu unterscheiden sind Dunkellasuren, die dunkler sind als unter ihnen liegende Farbe, von Hellasuren, die heller als ihre Unterlage sind. Auch helle Farben sind Dunkellasuren, wenn sie über eine noch hellere Unterlage lasiert werden, und dunkle Farben können über Schwarz als Hellasuren eingesetzt werden. Zu unterscheiden sind ferner klare oder ungetrübte Lasuren, die ihr Licht vorwiegend von der unteren Farblage erhalten, von trüben Lasuren, deren Helligkeit vorwiegend von ihrer Oberfläche ausgeht.
 

Hintergrund (links) Das von der Unterlage reflektierte Licht heißt Tiefenlicht, das von der Lasurtrübung zurückgeworfene Oberflächenlicht. In dichten Lasuren liegen die Pigmentteilchen dicht neben- und übereinander oder sind grobkörnig, während die Pigmentteilchen dünner Lasuren spärlicher im Bindemittel verteilt oder feinkörnig sind.

Eine lasierende Technik vervielfacht die malerischen Ausdruckmittel, weil sie die Skala einer Farbe um die praktisch unbegrenzte Anzahl transparenter (transluzenter) Farben bereichert. Denn jede transparente (transluzente) Farbe kann auf vielerlei Arten zusammengesetzt werden und jedes Mal einen neuen farblichen Charakter erhalten. So wirkt z.B. dasselbe Dunkelgrün anders, wenn es durch eine schwarze Lasur über Grün oder durch eine blaugrüne Lasur über Gelb oder durch eine braune Lasur über Blaugrün oder durch eine blaue Lasur über Orange usw. zustande kommt.

Lasierende Techniken haben den großen Vorteil, die gewünschte Farbe nicht auf der Palette vormischen und dann auf die Leinwand übertragen zu müssen. Die Farbgebung entsteht nicht "additiv" auf der Palette, sondern "subtraktiv" auf dem Bild selbst.
 

mehrere Lasuren bilden die Haut Eine additiv gemischte Farbe verändert sich, wenn sie von der Palette aufs Bild kommt, weil der Wechsel ihrer Umgebung auch neue Simultankontraste auslöst. Um die Farbe ihrer neuen Umgebung anzupassen, muss sie korrigiert d.h. noch einmal nachgemischt werden. Dieser Umweg bleibt erspart, wenn eine schon bestehende farbliche Unterlage mit einer Lasur übermalt wird. Die Farbe passt sich dann von selbst ihrer Umgebung an. Lasuren sind sparsam zu verwenden und werden ziemlich flüssig aufgetragen oder mit Borstenpinseln verrieben.

Grundlegend für das Zustandekommen jeder Art von Lasur ist ihre Abtrennung von anderen Farblagen. Um von ihrer Unterlage getrennt zu bleiben, muss diese trocken und so gut isoliert sein, dass die Lasur nicht in ihr versinken oder sich mit ihr vermischen kann. Der lasierende Charakter der Farbe kommt umso mehr zur Geltung, je größer das Wertintervall zwischen Lasur und ihrer Unterlage ist. Eine dunkle Lasur über Weiß wirkt lasierender als über Grau, eine Helllasur über Schwarz ebenfalls. Hauchdünne Helllasuren wirken auf dunklem Grund wie darüber gebreitete Schleier, klare Dunkellasuren auf Weiß wie Glasfenster. Halbdeckende Helllasuren ergeben die transparentesten (transluzentesten) Farben, weil Trübung und Grundfarbe zu gleichen Teilen sichtbar sind. Mit ungetrübten, dünnen Dunkellasuren lässt sich das Kolorit des Bildes – je nachdem, ob verwandte oder entfernte Lasurtöne gewählt werden – steigern, dämpfen, umtönen oder verdunkeln. (E.v.V.)
 

Pastoser Balsamstrich

Pastose Balsamstriche Der pastose Balsamstrich ist ein pastoser, zähflüssiger, harziger, voluminöser, glatter oder unebener, schwerer und sehr körperhafter Auftrag, der den Untergrund in seinem ganzen Verlauf bedeckt. Er kann in beliebig dicker Lage breit aufgetragen oder als erhabener Strich und punktförmig aufgesetzt werden. Die einzelnen Aufträge können ineinander, nebeneinander und übereinander, auf nasse, anziehende, erstarrte oder halbtrokkene Balsamfarbe gelegt werden und geben der Farbe je nach Pinselführung und Bindemittelmenge emailartigen Schmelz oder kernige Struktur. Balsamfarbe verliert im Laufe der Jahre an Volumen gewinnt aber an Schönheit, weil sie verglast.
 

Glanzlicht einer Kirsche per pastosem Balsamstrich Die Zähflüssigkeit der Balsamfarbe ermöglicht es, die Farbe ein und desselben Aufstrichs sehr dick aufzutragen und sie durch verstärkten Druck auf den Pinsel dünn auslaufen zu lassen. Diese Eigenschaft des Balsamstrichs kann verwertet werden, um die Übergänge von Licht zu Schatten kälter erscheinen zu lassen indem das Licht pastos über den dunkleren Untergrund und die Farbe gegen die Schatten hin dünner und damit durchsichtiger aufgesetzt wird.

Die Verschiebung des Farbtons durch Helllasuren nach Blau hin (Gesetze der subtraktiven Mischung) bewirkt dann kältere Übergänge. Durch diese Eigentümlichkeit und seine Fähigkeit, übereinandergeführte Farblagen voneinander zu trennen, ist der pastose Balsamstrich geeigneter als jeder andere Farbauftrag, helle Bildteile farblich durchzuformen, sie körperhaft erscheinen zu lassen und ihre Textur zu differenzieren. Volle, beleuchtete Oberflächen von Früchten, Haut, Stoffen, Porzellan und die erhellten Partien von Landschaften (z.B. Wolken) können mit pastosem Balsamstrich auf einfachste Art farblich und stofflich abgestuft werden und heben sich durch ihre kernige Struktur von den weich ineinander vermalten, transparenten Farben der Schatten ab.
 

linke Birne Für den pastosen Balsamstrich sind möglichst große, runde langhaarige Marder- oder Ichneumon-Pinsel erforderlich. Andere Haarpinsel sind nicht elastisch genug, die zähflüssige Farbe aufzunehmen, Borstenpinsel sind zu hart und zerdrücken sie. Der vollbeladene, flach gehaltene Pinsel wird gleitend und genau angesetzt, in vorbedachter Richtung auf dem Malgrund abgezogen und an vorbestimmter Stelle sanft abgehoben, wie ein Flugzeug landet und startet. Die Stelle, die sie einnehmen sollen, ihre Richtung, ihre Form und Pastosität sowie die Art des An- und Absetzens muss vorbedacht und mit Bestimmtheit ausgeführt werden.

Dies erfordert eine leichte Hand und eine sichere Pinselführung. Fehlerhaftes Aufsetzen durch zu geringen Anlauf, zu steile Haltung des Pinsels oder zu plötzliches Aufstoßen ergibt hässliche Farbansammlungen, die alles andere als formgebend wirken und nicht mehr korrigiert, nur noch abgekratzt und neu übermalt werden können.

[Anm. Die Wölbung der Birne, d.h. ihre Körperlichkeit, wird nur durch die dichter werdenden pastosen Striche hervorgerufen.]
 

pastose weiße Striche Durch fehlerhafte Pinselführung verliert Balsamfarbe ihre hervorragende Fähigkeit, die einzelnen Aufträge zu trennen, wirkt plump und klecksig. Richtig aufgesetzte Balsamfarbe haftet an der Bildfläche, sobald sie mit ihr in Berührung kommt. Korrekturen an der nassen Farbe führen zu Verschmierungen, die nicht mehr zu beheben sind. Dagegen können über anziehende oder erstarrte Balsamaufstriche neue gelegt werden. (E.v.V.)
 

Durchbrochener Balsamstrich

Durchbrochene Striche für die rauhe Rückseite des Blattes Der durchbrochene Strich ist ein pastoser Farbauftrag, der aus vielen unregelmäßigen Erhebungen, Buckeln, Strähnen oder Fäden zusammengesetzt ist, die durch Lücken oder Furchen voneinander getrennt bleiben. Während der Untergrund von vollen, pastosen Aufträgen bedeckt wird, bleibt er in den ausgelassenen Stellen des durchbrochenen Strichs sichtbar und bildet mit den erhabenen Teilen des Auftrags einen farblichen und stofflichen Kontrast.

Der durchbrochene Strich wirkt ungemein plastisch und körperhaft und eignet sich vor allem dazu, vordergründige Bildteile reliefartig abzuheben. Holprige oder bucklige Oberflächen von Zitrusfrüchten und Nüssen, der fadenförmige Verlauf von Haarsträhnen und Pelzen, die verästelte Textur von Blättern, die Musterung rauer Gewebe, die zerfransten Ränder von Wiesen, Feldern, Quasten usw. können mit durchbrochenen Strichen auf einfachste Art dargestellt werden, ohne die Striche einzeln aufsetzen zu müssen.

Der durchbrochene Strich wird mit zähflüssiger, ölarmer Balsamfarbe oder mit einer fadenziehenden Öl-HarzFarbe ausgeführt. Er büßt während des Trocknens einen Teil seines Volumens ein. Die erhabenen Strähnen und Höcker schrumpfen, durch Kontraktion der pastosen Erhebungen werden Lücken verbreitert und der dunklere Untergrund sichtbar. Die Farbe erscheint deshalb in trockenem Zustand dunkler als in frischem. Dazu kommt, dass durchbrochene Striche hauptsächlich mit hellen Farben wie Kremserweiß und Neapelgelb verwendet werden, die sich auch zurückbilden und das Bild deshalb zusätzlich verdunkeln. Um dem entgegenzuwirken ist es unerlässlich, den durchbrochenen Strich so pastos und farbstoffreich wie irgend möglich zu verwenden.
 

Ein durchbrochener Strich für ein ganzes Feld Für den durchbrochenen Balsamstrich sind langhaarige, abgebrauchte, große Haarpinsel mit ausgefranster Spitze zu verwenden. Für den durchbrochenen Öl-Harz-Strich sind auch breite, flache Borstenpinsel verwendbar, die so abgenutzt sind, dass die Borsten einzeln oder in dünnen Büscheln aus der Bindung ragen. Der Pinsel muss so leicht angesetzt und so gleitend über den Malgrund geführt werden, dass nicht die Spitzen seiner Haare, sondern nur die von ihnen abfließende Farbe mit dem Malgrund in Berührung kommt.

Die zähflüssige Farbe setzt sich an der Malfläche fest und wird durch die Bewegung der Hand, von den einzelnen Haaren oder Borsten, je nach Beschaffenheit des Pinsels, als dicke Strähnen, als erhabene Fäden oder als unregelmäßige Höcker auf dem Malgrund abgezogen. Mit flachen ausgefransten Borstenpinseln kann auf diese Weise ein ganzer Wald von pastosen Fäden mit ein paar Strichen angelegt werden. Durch große Farbintervalle zwischen sich überkreuzenden Aufträgen entstehen Gitter von reizvoll netzartiger Wirkung. Der durchbrochene Strich darf nicht korrigiert werden, kann aber, sobald der Auftrag genügend erstarrt oder trocken ist, mit einer neuen Lage durchbrochener Striche übermalt werden. (E.v.V.)
 

Gleitstrich

Christus Der Gleitstrich gehört zu den durchbrochenen Strichen, weil der Untergrund zwischen den einzelnen Teilen des Auftrags unbedeckt bleibt. Statt sich – wie der durchbrochene Strich – aus Farbsträhnen und -fäden zusammenzusetzen, wird der Gleitstrich aus einer Unzahl punktförmiger Erhöhungen gebildet, die den Untergrund wie winzige Körnchen überstäuben. Je nach Dichte, Größe und Pastosität der Farbkörnchen bleibt der Untergrund mehr oder weniger sichtbar. Der Gleitstrich erfordert eine trockene Unterlage und wird mit farbstoffreicher, bindemittelarmer Öl- oder Harz-Farbe ausgeführt.

Ein großer, langhaariger, elastischer, runder Haarpinsel wird durch Andrücken auf die Palette fächerförmig gespreizt, durch die aufgehäufte Farbe gezogen und – ohne beim Ansetzen aufzustoßen – rasch und locker über die Malfläche geführt und auslaufend abgesetzt. Der Pinsel sollte im spitzen Winkel zur Malfläche und in Strichrichtung gehalten werden und so leicht über die Malfläche gleiten, dass nur die an den Haarspitzen haftende Farbe mit dem Untergrund in Berührung kommt. Die Farbe setzt sich auf den kleinsten Unebenheiten fest und bildet dort punktförmige Erhebungen. Der übermalte Bildteil sieht dann so aus, als ob feiner Sand darüber gestreut wäre.
 

Pfirsich (links) Farbanhäufungen und verkleckste Stellen sind sofort restlos abzuschaben und mit der Farbe des Untergrunds zu retuschieren. Sobald die erste Lage des Gleitstrichs anzieht, können weitere darüber gelegt werden. Der Gleitstrich eignet sich in hohem Maße dazu, der Farbe Körper und Textur zu geben, größere Bildteile umzutönen und eintönige Flächen zu beleben. Helle Gleitstriche auf dunklem Untergrund wirken belichtend und auflockernd. Namentlich zu dunkel oder zu klar geratene Dunkellasuren erhalten durch helle Gleitstriche Stofflichkeit, Oberflächenlicht, räumliche Tiefe, verlieren ihr glasfensterartiges Aussehen, werden aufgehellt und treten zurück.

Schon in allen Einzelteilen ausgeführte Bildpartien wachsen durch ein paar richtig angebrachte Gleitstriche zusammen und erhalten Relief. Am schönsten wirkt ein heller, nicht zu dichter Gleitstrich über Dunkellasuren, insbesondere wenn die Farbintervalle zwischen Lasur und Gleitstrich groß sind. Die Textur der beleuchteten Seite von Gegenständen wird durch Gleitstriche in hohem Maße verdeutlicht.
 

verschneite Bäumchen, rutschiger Hang (links) Durch wiederholtes Übergehen können die Dichte der Farbteilchen reguliert und die Gegenstände dadurch geformt werden. Mit einiger Übung lassen sich mit hellen Gleitstrichen ganze Bildteile wie Waldungen, Felspartien oder Stoffe reizvoll beleben und erhalten eine Körperlichkeit, die mit anderen Mitteln nicht erreichbar ist.

Die samtigen Erhellungen auf Pfirsichen, der Dunst nebliger Landschaften, die Trübung von in dunkle Räume einfallendem Licht können durch helle Gleitstriche spielend dargestellt werden. Werden sie mehrfach übereinandergeführt, so sollten sie sich farblich deutlich voneinander unterscheiden. Das Gewirr farblich unterschiedlicher Pünktchen mischt sich optisch wie die Flecken der Neoimpressionisten, lockert die Farbgebung auf und gibt ihr Körper. (E.v.V.)
 
     
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