Aufbruch zu zweit
Chronologie der Biographie

 

Zürich

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Zürich (1937 - 1994)

Egon von Vietinghoff, Schweizer Soldat Conrad Baron v.Vietinghoff II (porträtiert von seinem Sohn Egon) 1937 kehrt er in bedrohlichen Stürmen auf einem belgischen Frachter ohne seine Familie aus Südamerika zurück, zum Vater nach Zollikon am Zürichsee und mietet ein Atelier in Zürich. Um Fahrgeld zu sparen, geht er die Wege von vielen Kilometern täglich zu Fuß. Finanziell beginnt er bei Null: durch den Verkauf eines Bildes kann er sich zwei Rahmen für zwei weitere Bilder kaufen.

Ende 1937 erfolgt die Musterung: Größe 1,79 m, Gewicht 80 kg, Einteilung in den "Hülfsdienst, Platzdienst". Während des Zweiten Weltkriegs steht er je Kriegsjahr durchschnittlich 49 Tage im Dienst der Schweizer Armee als Wachsoldat vor Kasernen oder auf dem Militärflugplatz von Dübendorf bei Zürich.
 

 Jeanne von Vietinghoff, Tochter Trotz Verkaufserfolgen durch die Galerie Neupert in bester Lage in Zürich (Bahnhofstr. 1), macht er emotional eine besonders schwere Zeit durch.

Frau und Kind kommen aus Südamerika nach: sie leben in der Altstadt von Zürich wieder zusammen. Doch bald zieht er wieder nach Zollikon – die Ehe mit Marcella besteht aus Trennungen und magischer Anziehung, bis sie schließlich scheitert. Sie kehrt mit Tochter Jeanne nach Buenos Aires zurück, der Verlust des Kindes schmerzt unbeschreiblich.


Er muss die Vormundschaft über den allein lebenden, weltfremden Vater und über den kranken Bruder übernehmen, der 1942 stirbt.
 

Zürich, Altstadt Zusätzlich verhindert der Krieg hoffnungsvolle Angebote zu Ausstellungen namhafter deutscher Galerien.

Er sieht von der Schweiz aus den Feuerschein der bombardierten Stadt München am nächtlichen Himmel und denkt an die Verwandten; er unterhält sich mit einer Cousine durch den Stacheldraht an der deutsch-schweizerischen Grenze in Konstanz und kann kaum helfen.
 

Heidi mit rosa Turban und blauem Schal (zweite Ehefrau) Innerhalb des Oberdorfs zieht er von der Kirchgasse in die Spiegelgasse. Der gut aussehende, sinnliche "Mann im besten Alter" bleibt jedoch nicht lange alleine: mit der Schweizerin Heidi Howald aus dem Kanton Bern geht er seine zweite Ehe ein. Sie ist Fotografin, überlebt mit verschiedenen Brotjobs und hilft ihm seinen Bohemien-Haushalt in Ordnung zu halten. Doch auch diese Verbindung hält nur ein paar Jahre.


Seine Bilder für die Ausstellungen des "Schweizerischen Vereins bildender Künstler" und im Museum von Winterthur werden refüsiert, der Eintritt in die Künstlervereinigung GSMBA wird ihm kommentarlos verweigert.
 

Blick von Zollikon nach Zürich-Wollishofen 1944 wird er wirklich sesshaft. Denn er zieht um nach Zürich-Wollishofen in die Genossenschaft Neubühl, auf die andere Seite des Zürichsees – vorerst nur mit dem Atelier. Nach und nach lebt er von seiner Frau Heidi mehr oder weniger getrennt in dieser Werkstätte inmitten seiner Bilder. Hier, in der Ostbühlstr. 17, arbeitet er dann bis 1989. Die Werkbundsiedlung Neubühl ist ein engagiertes Projekt der frühen Dreißigerjahre und macht Geschichte als erste moderne Überbauung in der Schweiz. Sie steht mittlerweile unter Denkmalschutz.
 

Neubühl (1932), Blick nach Zürich Die weißen Reihen im Bauhausstil sind dem Hügelrücken am grünen Rand der Stadt angepasst, die betont funktionalen Wohnungen sind von hohem Nutzwert für die Mieter.

Die avantgardistische Flachdach-Architektur, eine Reihe von Ateliers, der Wohnkomfort und die ruhige Lage ziehen Schauspieler, Regisseure, Schriftsteller, Architekten, Musiker und bildende Künstler als Mieter an – besonders auch aus Kreisen deutscher und österreichischer Emigranten, u.a. Hannes Meyer, Arthur Koestler, Kurt Guggenheim, Julius Zerfaß, Leopold Lindtberg, Ernst Ginsberg, Trudi Schoop und Hans Albert Einstein (Sohn des Physikers).
 

Maritta in türkisem Kleid (dritte Ehefrau) Das Kriegsende ist für den halb deutschstämmigen Schweizer Bürger zwar eine ambivalente Erfahrung, für den Europäer und strikten Pazifisten aber das Ende eines unbeschreiblichen Alptraums.

Bei Verwandten lernt er die achtzehnjährige Deutsche Maria Juliane Foerster (Maritta) kennen, die nach der Flucht vor der Sowjetarmee aus Schlesien im Februar 1945 und dem Hunger in der britischen Besatzungszone im zerstörten Deutschland bei ihrer Halbschwester in der Schweiz Erholung sucht.

Sie, deren Mutter ebenfalls eine geborene Vietinghoff ist, wird Egons dritte Frau (die Scheidung von seiner zweiten Frau ist eine Formalität – eine andere Liebesaffäre liegt schon dazwischen).
 

Alexander 1949 (Sohn) Nidelbadstrasse (erste Einzimmer-Wohnung im Neubühl) 1948 beziehen sie eine Wohnung in der Siedlung Neubühl nur eine Fußminute vom Atelier entfernt. Aber die Ehe mit der 26 Jahre jüngeren Mutter seines Sohnes Alexander ist ebenso leidenschaftlich wie von kurzer Dauer. Egon ist ein dominanter Partner, der sehr auf seine künstlerische Tätigkeit und seinen maltechnischen Fortschritt fokussiert ist. Der lange Scheidungsprozess ist mörderisch, schließlich bekommt er jedoch das Sorgerecht für das gemeinsame Kind.
 

Liane in violettem Kleid (vierte Ehefrau) 1952 kommt seine Tochter für drei Jahre aus Argentinien nach Zürich. Im selben Jahr lernt er die Österreicherin Liane Charlotte Lenhoff (Lilo) aus Salzburg kennen und 1954 beschert ihm sein wechselvolles Leben noch eine weitere Ehe mit ihr, die vierte.

In diesen Jahren erlebt er einen umfassenden Neubeginn, der sich in seinem Werk sowohl stilistisch als auch quantitativ wiederspiegelt – und in den Verkaufszahlen! Sein letzter Wohnungsumzug erfolgt 1953 innerhalb derselben Siedlung in die Westbühlstr. 40, wo er mit Liane bis ans Ende seiner Tage lebt. Nach dem Neubeginn mit Liane stabilisiert sich sein Alltag.

Sie, die ihn noch 40 Ehejahre begleitet, ist eine aktive Partnerin, die begeistert in den Bergen wandert, einige seiner damaligen Lieblingsbücher in Leder einbindet (Kant, Goethe, Schopenhauer, Grimmelshausen, Bjørnson, Tolstoi, Gogol, Tagore, Hebel, Lagerlöf, Balzac, nebst denen seiner Mutter Jeanne de Vietinghoff), Stoffe und Schals webt, seine Manuskripte tippt, gerne mit ihm verreist und ihn beim Verkauf seiner Gemälde entscheidend unterstützt.
 

Frühlingsstrauss mit roter Anemone Von ihren Ausflügen und aus ihrem Garten bringt sie wilde Früchte und Blumensträuße als Vorlagen für seine Stilleben und Blumenbilder mit. Denn er braucht die unmittelbare Anschauung für jedes Bild – außer für die figürlichen Szenen, die in seiner Vorstellung entstehen.
 

Neubühl, Atelier Ostbühlstr. 17, Rückseite Nach den abenteuerlustigen Jugendjahren ließen ihn die schweren menschlichen und materiellen Verluste durch Todesfälle, Scheidungen und Kriegsfolgen ruhiger werden.

Nach dem Neuanfang mit Liane stabilisiert sich sein Alltag. Das geordnete Familienleben während der Schulzeit seines Sohnes gibt ihm Grundlage und Rahmen, sich ganz auf sein Werk zu konzentrieren.
 

Requisiten für seine Stillleben Gleichmäßig intensiv und diszipliniert arbeitend verbringt er die Tage in seinem Atelier zwischen Werkzeugen, Leimkocher, Spanplatten, Leinwänden, Pigmenttöpfen, Samtstoffen als Hintergründe für seine Motive sowie zwischen Rahmen und den Flaschen, Schalen, Krügen, Tellern, die in seinen Werken immer wiederkehren.
 

Atelier Ostbühlstr. 17 Trotz seiner neuen Sesshaftigkeit reist er gerne – anfangs per Bahn oder auf dem Fahrrad, dann auf der Vespa und seit 1959 im Auto. Innerhalb der Schweiz sowie nach Belgien, Holland, Frankreich und Portugal auf der Suche nach den Kathedralen, Schlössern und Rathäusern sowie den Gaumenfreuden der Wein- und Speisekarten. Oder auf den Spuren des Barocks in Österreich und in Süddeutschland. Vor allem zieht es ihn zu den legendären Stätten europäischer Kultur und zurück zu den eindrucksvollen Stationen seiner Jugend.
 

Erechtheion, Akropolis Athen In Griechenland, Süditalien und in der Türkei bewundert er die Tempel und Statuen der Antike als besondere künstlerische Höhepunkte der Menschheit. Noch drei Mal reist er nach Spanien in Erinnerung an seine jugendliche Wanderung. Auch die arabische Welt fasziniert ihn seit seiner Begegnung in Marokko, das er zu seinem 80. Geburtstag noch einmal besucht. Lange Zeit fährt er fast jedes Jahr nach Italien: sein Kunstsinn und sein Enthusiasmus ziehen ihn zu den romanischen Kirchen, zum Reichtum an Fresken und auf die weiten Plätze, die so sehr seinem großzügigen Naturell entsprechen.
 

Siena, Piazza del Campo Er sieht die landschaftlichen Schönheiten mit dem Blick eines bildenden Künstlers. Nirgends verpasst er das Wiedersehen mit den Werken seiner geliebten Alten Meister in den Museen, sei es in Winterthur oder in Vaduz, in Kassel, Berlin oder Wien, in Antwerpen oder Amsterdam, in Florenz oder Rom, in London oder Madrid – und weitere unzählige Male im Musée du Louvre in Paris.

Seinen Hunger nach optischen Eindrücken stillt er auch in Stunden der Entspannung – gerne im Kino oder in Cafés beim Beobachten von Menschen. Ist er nicht am Schauen oder Zuschauen, liest er immer und immer wieder die Weltliteratur (in Deutsch oder in Französisch, selten in Italienisch), schmiedet schon wieder Reisepläne, widmet sich seiner umfangreichen Sammlung von Briefmarken aus allen Ländern, spielt mit Nachbarn Schach oder erfindet Witze ...
 
     
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